Samstag, 6. November 2010

Atomar oder Erneuerbar?

Am 28. Oktober lagen auf dem leeren Platz des deutschen Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer Blumen. Der 66-jährige Kämpfer für die 100%ige solare Energiewende war wenige Tage zuvor gestorben. Am 28. Oktober aber beschloss die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag längere Laufzeiten für die 17 deutschen AKW. Scheers wichtigste politische Tat war das Erneuerbare-Energie-Gesetz im Jahr 2.000, mit dessen Hilfe in den letzten Jahren ein weltweit beispielloser Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland gelungen ist. Ein Kommentar des Publizisten Franz Alt.

Der Erfolg Scheers wird nun künftig durch längere AKW-Laufzeiten gefährdet. Denn das derzeitige Tempo bei den Erneuerbaren macht Atomstrom bald überflüssig. Aber jedes Jahr längere Laufzeit der Atomkraft bedeutet faktisch eine Drosselung für die Ökoenergien. Beides zusammen geht schon mittelfristig nicht mehr. 2009 hat Deutschland 20 % seiner Stromproduktion ins Ausland exportiert. Mit dem Schlagwort von den AKW als „Brückentechnologie“ hin zu den Erneuerbaren wird das gesamte Energiekonzept der Bundesregierung vernebelt. Die Erneuerbaren Energien, also Sonne, Wind, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie, können schon in 20 Jahren zu 100 % alle alten Energieträger ersetzen. Das hat Hermann Scheer in seinem letzten Buch „Der energethische Imperativ – 100 % jetzt – Wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist“ überzeugend aufgezeigt.

Es ist gut möglich, schon bis 2020 zwei Drittel des Stroms in Deutschland nachhaltig zu erzeugen, wenn das Ausbau-Tempo von 2010 beibehalten würde. Im 20. Jahrhundert haben die Franzosen binnen 12 Jahren ihren Anteil des Atomstroms von null auf 70% hochgefahren. Und das soll bei den Erneuerbaren Energien nicht möglich sein? Aber genau das ist nicht im Sinn der alten Energiewirtschaft und die Bundesregierung ist ihr Erfüllungsgehilfe.

Schwarz-gelb hat mit seinen Energiebeschlüssen wider alle Vernunft dafür gesorgt, dass in Berlin eine „Sonnenfinsternis“ (TAZ) herrscht – zumindest vorübergehend. Der brutale Versuch, die alte Energiewirtschaft und ihr Quasi-Monopol zu retten, hat den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) dazu getrieben, sich am 28. Oktober der Stimme zu enthalten und seiner Regierung „unordentliche Gesetzgebungsarbeit“ vorzuwerfen. Darüber hinaus haben sechs Abgeordnete der Regierungsfraktionen gegen das Energie-Konzept ihrer eigenen Regierung gestimmt. Dieses Gesetz erhielt keine absolute Kanzler-Mehrheit, sondern nur eine einfache Zustimmung. Und das Bundesverfassungsgericht wird noch zu entscheiden haben, ob das Gesetz ohne Zustimmung des Bundesrats überhaupt in Kraft treten kann.

Die energiepolitischen Entscheidungen dieser Wochen sind deshalb so wichtig, weil 47 Länder unser Erneuerbares-Energien-Gesetz übernommen haben. Sollte dieses Gesetz von schwarz-gelb faktisch zu Fall gebracht werden, dann hätte dies Auswirkungen auf die Energiepolitik der ganzen Welt. Im Ausland würde argumentiert, wenn schon die Deutschen selbst ihren bisherigen Weg verlassen, dann werden wir ihn schon gar nicht beschreiten. Aus all diesen Gründen gibt es jetzt nur eine Richtung und ein Motto, das uns Hermann Scheer kurz vor seinem Tod empfohlen hat: „Abkoppeln, abschalten, abwählen.“

Der Anti-Atom-Protest dieses Wochenendes ist nur der Anfang des Widerstands gegen die schwarz-gelbe Selbstherrlichkeit. Vielleicht war der 28. Oktober 2010 der Anfang vom Ende der Regierung Merkel/Westerwelle. Dann hätte die vorübergehende Sonnenfinsternis am Ende zu einem neuen Sonnenaufgang geführt – vielleicht!

Quelle: © Franz Alt 2010 / Sonnenseite

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