Mittwoch, 9. Mai 2012

Energiewende nicht in Gefahr

Zeitungen und Medien sind in den vergangenen Wochen voller alarmierender Berichte: Die Energiewende sei in Gefahr, der Ausbau der Windkraft vor unseren Küsten ist viel langsamer als geplant, der Netzausbau wie auch der Bau von Speichern kommt nicht voran, und die Strompreise werden durch die Kosten erneuerbarer Energien unbezahlbar. Müssen wir die Energiewende verlangsamen oder gleich ganz aufgeben? Eicke R. Weber lobt den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie und verspricht stabile Strompreise. Gelten die Ausführungen in erster Linie für Deutschland, so sind sie dennoch und sinngemäss wertvolle Anstösse für die hiesige Situation. Der Autor ist Direktor des renommierten deutschen Fraunhofer- Instituts für Solare Energiesysteme.

Die Frage nach der Gefahr für die Energiewende kann mit einem deutlichen nein beantwortet werden. Die Daten zeigen die umgekehrte Richtung: Der Zubau von Windkraft an Land sowie der Photovoltaik (PV) ist bedeutend schneller als erwartet. Noch vor wenigen Jahren wurden 20 Prozent erneuerbare Energien in der Stromerzeugung erst für 2015 erwartet; erreicht haben wir dieses wichtige Ziel in Deutschland bereits Ende 2011. Auch die Kosten der PV purzelten in den vergangenen zwei Jahren viel rascher als erwartet. Heute kostet Strom aus einem neuen PV System auf dem Dach weniger als der Strom aus der Steckdose.

Der Zubau der dezentral installierten PV und Windmühlen an Land benötigt keine neuen, weiträumigen Stromtrassen. Wir haben ein Verteilnetz, das alle Verbraucher rund um die Uhr ausreichend mit Strom versorgt. Der Zubau von PV und Wind reduziert bei dezentraler, kundennaher Einspeisung die Anforderungen an weiträumigen Stromfluss wie niedrigeren Stromverbrauch.

Benötigt wird ein Ausbau lokaler Verteilnetze für die Region. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass der Strom in Zeiten von intensivem Sonnenschein oder guter Windeinspeisung nur sehr wenig kostet. Dann lohnt es sich, den Überschuss im Haus zu speichern, die Warmwasserspeicher elektrisch zu beheizen oder durch den Prozess der Elektrolyse Wasserstoff herzustellen, um diesen ins Erdgasnetz oder für den Transport einzuspeisen. Dafür ist ein "smart grid"mit intelligenten Zählern erforderlich, das jedem Verbraucher die Möglichkeit einräumt den zeitaktuellen Strompreis abzurechnen.

Windmühlen im Meer erschienen noch vor wenigen Jahren als Königsweg zur Energiewende. Die Windmühlen stören wenig, so dass es möglich erschien, bis 2020 eine Leistung von 10 000 Megawatt und mehr zu installieren. Sie arbeiten an mehr als 3000 Stunden jährlich, im Vergleich zu etwa 2000 Stunden von Windmühlen an Land und etwa 1000 Stunden Sonnenschein für die Photovoltaik. Nun haben wir bereits über 25 000 Megawatt PV installiert, die jährlich fast so viel Strom erzeugen wie die für 2020 erhofften Windmühlen im Meer. Der Preis von Strom aus neuen PV-Anlagen fällt kontinuierlich, der Strompreis der Offshore-Windmühlen hat steigende Tendenz. Der Unterhalt der Rotoren, die starkem Wind, Wellen und einer heftig korrodierenden Atmosphäre ausgesetzt sind, kostet mehr als erwartet. Strom aus größeren Windmühlen ist zudem teurer als Strom, der mit kleineren Rotoren erzeugt wird.

Die aus den großen Stromversorgern geschickt herausgelösten Netzbetreiber sind finanziell zu klamm um die Investitionen der Netzanbindung dieser Anlagen zu stemmen. Heute sind nur 200 MW Offshore-Wind installiert, der Ausbau ist wegen der hohen Kosten viel langsamer als erwartet. Daher sollten wir den Aufbau des sehr viel preiswerteren Onshore-Winds fördern, dazu den weiteren Ausbau der PV, denn diese beiden erneuerbaren Energien ergänzen sich bestens: Wenn der Wind weht, scheint oft wenig Sonne; bei gutem Sonnenschein ist es oft windstill.

Ähnliche Strommengen aus den beiden Techniken sind daher wünschenswert. Vorangetrieben werden sollte die Vernetzung mit Wasserkraft in Norwegen und unseren südlichen Nachbarn. Tagsüber können wir billigen, überschüssigen Solar- und Windstrom dorthin liefern, die Talsperren werden auf Minimalfluss gestellt, um dann Abends den Strom in umgekehrter Richtung zu uns fließen zu lassen. Das ist ein sehr gutes Geschäft für alle Betreiber von Talsperren mit variablem Ausfluss. Der beherzte Zubau der erneuerbaren Energien wird die Umlage dafür auf den Strompreis nur wenig, für den Verbraucher unmerklich steigen lassen. In diesem Jahr blieb diese Umlage konstant, aber der Strompreis stieg weiter kräftig. Nach 2020 aber können wir erwarten, dass der Anteil der festpreisigen erneuerbaren Energien im Strommix hilft, die Preise zu stabilisieren, so dass wir eine Strompreisdämpfung erleben werden. Keine gute Aussicht für die großen Stromversorger, die daher die Panikdiskussion von heute gerne sehen.


Quelle: Eicke R. Weber 2012

Erstveröffentlichung "Badische Zeitung" | 05.05.2012

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