Donnerstag, 17. Oktober 2013

Streit um Strommarkt auch hier

Die energiepolitische Diskussion nimmt Fahrt auf, sowohl im Politischen aufgrund der verabschiedeten Botschaft zur Energiewende wie auch im Theoretischen. Dabei schwappt immer mehr die unheilvolle Diskussion aus Deutschland auf die Schweiz über. Wo doch die Voraussetzungen für eine Vollversorgung mit Erneuerbaren hierzulande dank der Wasserkraft sehr viel besser wären wie auch dank der vergleichsweise günstigen Sonneneinstrahlung – etwa im Vergleich zu Deutschland oder England.

Das vorneweg – eine unmittelbare Volksabstimmung über die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) scheint vom Tisch. Wie mehrere Schweizer Medien in den vergangenen Tagen übereinstimmend berichteten, kommt das Referendum gegen eine erhöhte Stromabgabe zugunsten der Erneuerbaren Energien (auf höchstens 1,5 Rappen pro Kilowattstunde) voraussichtlich nicht zustande. Da hat auch die Unterstützung einiger politischer Hardliner wie jene von Filippo Leutenegger (Stadtzürcher FDP-Nationalrat und Stadtratskandidat), von Alt-Bundesrätin Elisabeth Kopp und Polit-Immunologe Beda Stadler nichts genützt. Das von Christian Riesen, AKW-Mitarbeiter aus Wangen bei Olten, im Alleingang lancierte Referendum kommt laut eigenen Aussagen kaum auf die erforderlichen 50'000 Unterschriften – mehr wird man nächste Woche wissen.

Soeben hat auch der Verband der Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) in einem Bericht seine Vorstellungen umrissen, wie der hiesige Strommarkt in Zukunft aussehen soll. Wenig verwunderlich, wenn darin die bisherige Förderung der Erneuerbaren Energien mit der KEV ebenfalls schlecht wegkommt, obwohl der VSE dem Referendum die Unterstützung versagte. Mit dem wirtschaftspolitischem Instrument zur Etablierung eines neuen Marktes (eben der neuen Erneuerbaren Energien (EE) wie Wind, Sonne, Biomasse und Kleinwasserkraft) hatte sich der VSE nie anfreunden können. Obwohl damals bei der Einführung ein anderes Argument als heute für die Kritik herhalten musste: Damals – so vor rund fünf Jahren – wurde die Ergiebigkeit der EE und deren Potential für den Ersatz etwa der Atomkraft rundweg abgestritten. Noch-Axpo-Chef Heinz Karrer sah dieses Potential noch für lange Zeit bei einem tiefen einstelligen Prozentbetrag – gemessen an der Gesamtstromproduktion (die wiederum nur einen Teil der Gesamtenergieproduktion ausmacht).

Doch das immerhin hat der VSE unterdessen realisiert, weniger aufgrund der Gegebenheiten hierzulande (wo der EE-Anteil unterdessen um die drei Prozent liegen dürfte): Das Potential der Erneuerbaren liegt effektiv weit höher, das beweist nicht zuletzt das nördliche Nachbarland, das unterdessen auf einen Nur-Solar-Anteil von sechs, einen Windanteil von neun und einen Gesamt-EE-Anteil von rund einem Viertel kommt. Erreicht wurde der phänomenale Erfolg durch die deutsche Einspeisevergütung, die der Schweizer KEV ganz ähnlich ist.

Die Umlage einer Abgabe auf dem herkömmlich erzeugten Strom zur Verbilligung der EE ist also ein voller Erfolg, gemessen an der Markteinführung, die unterdessen in rund 60 Ländern weltweit auf diesem Prinzip beruht. Und genau das ist unterdessen das Problem, es hat nicht mehr zuwenig, sondern je nach Sichtweise zu viel Erneuerbare Energie. Grund für die etablierten Stromunternehmen, ihre Argumentation umzustellen. Der VSE erwartet gemäss der mit der Boston Conulting Group erstellten Studie, dass sich der Wettbewerb für die Stromerzeuger massiv verschärfe. Die momentane Auslegung der KEV verhindere, dass vorhandene Mittel in die effizienteste Form der Energieerzeugung investiert werden. Die Studie "Schweizer Stromwirtschaft: Durch falsche Anreize ins Abseits?" weist aus, dass zurzeit jene Projekte priorisiert werden, die am wenigsten öffentlichen Widerstand erfahren. Insbesondere kleinere Photovoltaikanlagen werden in grosser Zahl realisiert.

Aber auch die Ökonomenzunft zieht gegen die KEV ins Feld. So etwa unlängst Beat Hotz-Hart (siehe Bild), abtretender Professor für Angewandte Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich, der stets eine praxisorientierte Wirtschaftswissenschaft betrieb. In seiner Abschiedsvorlesung «Radikale Innovationen als Voraussetzung für den Erfolg der Energiepolitik» sprach er sich aus für eine Energiewende, die auch die sozioökonomischen Randbedingungen beachtet – ohne diese näher zu umreissen.

Näher ging Hotz-Hart – von dem in diesen Tagen ein neuer Innovationsreader unter dem Titel «Nationen im Innovationswettlauf: Ökonomie und Politik der Innovation» erscheint – ein auf den aus seiner Sicht nötigen Ersatz der KEV. Nicht ohne die energiepolitischen Voraussetzungen in Erinnerung zu rufen. Die da unter anderem sind: Atomenergie hat keine Chance mehr in der Schweiz und manöveriert sich auch ökonomisch ins Abseits. Die Europäische Union muss ein Partner sein bei der Energiewende, sonst wird alles nur noch viel schwieriger – was aber auch heisst, dass die Schweiz das dreimal 20 Ziel der EU adapatieren muss (20% weniger CO2, 20% mehr Erneuerbare Energie, 20% Energieefizienz bis 2020).  Und diese EU insgesamt hat in den letzten Jahren sehr wohl und markant vorwärts gemacht mit den Erneuerbaren, nicht etwa nur Deutschland. Allerdings waren die präsentierten Zahlen, wie so oft in diesem Bereich, wo die Entwicklung rasant vor sich geht, nicht immer auf dem neuesten Stand. So wird etwa im laufenden Jahr in Deutschland bereits ein Solarstromanteil von über sechs, in der Schweiz von unterdessen immerhin über einem Prozent erreicht – immer gemessen an der Gesamtstromproduktion. Und Japan hat im laufenden Jahr eine geradezu phänomenale Ausweitung der Photovoltaik erfahren (gegen vier Gigawatt an neuen Anlagen) – auch wiederum nur dank einer KEV-ähnlichen Regelung.

Alternativen zur Einspeisevergütung sieht Hotz-Hart auch nur in jenen Instrumenten, die im Ausland diskutiert werden, deren Unterlegenheit gegenüber der KEV aber zumindest solange evident ist, als es in erster Linie darum geht, überhaupt Kapazitäten für Erneuerbare Energien zu schaffen. Was in der Schweiz (anders als etwa in Deutschland) zumindest noch einige Jahre der Fall sein dürfte. Und es scheint auch unlogisch, der KEV ökonomische Sinnhaftigkeit abzusprechen (wie das auch der oben zitierte VSE tut), aber gleichzeitig der Schaffung von Reservekapazitäten im fossilen Bereich das Wort zu reden – der Unterschied zur KEV ist nicht allzu gross respektive der Mechanismus recht ähnlich. Die Untauglichkeit eines Quotenmodells wiederum wurde durch den Solarmedia-Blog schon verschiedentlich belegt (siehe Artikel vom 28.8.2012) und vom 11.9.2012). So hinkt die hiesige energiepolitische Diskussion jener im Ausland weit hinterher und wird sich noch sputen müssen, effektiv neue Perspektiven zu eröffnen. Vorderhand scheint trotz allem die KEV das schlechteste Mittel für den Aufbau von Kapazitäten der Erneuerbaren Energien nicht zu sein.
 
©  Solarmedia

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