Sonntag, 23. November 2014

Schweizer Modell geht um die Welt

Es war anfangs der 90er Jahre, als tragfähige Modelle gesucht wurden, um der Produktion von Solarstrom zum Durchbruch zu verhelfen. So richtig umgesetzt wurde dann als erstes eine 1-Franken-Vergütung für eine Kilowattstunde Solarstrom – und das im bernischen Burgdorf. Eine Schweizer Erfolgsgeschichte mit aktueller Ausstrahlung.

Seither sind 25 Jahre vergangen und die Berner Fachhochschule lud zu diesem Jubiläum in das Städtchen am Eingang des Emmentals. Viele Technik-Studenten haben dort ihre Studien absolviert – und sind teils hängen geblieben oder auch wieder zurück gekommen. Zurück gekommen ist auch jene Idee, die als Burgdorfer Modell Weltgeltung errang – und zweifellos den Siegeszug der auch Photovoltaik (PV) geheissenen Produktion von Solarstrom begründete.

David Stickelberger,  Swissolar-Geschäftsleiter des unterdessen etablierten Fachverbands der Solarbranche (für Wärme- und Stromerzeugung) zeigte auf, dass die Idee einer finanziellen Umlage vom Verbrauch herkömmlichen Stroms (aus Wasserkraft, Kohle, Gas oder Atomkraft) auf die Produktion der neuen Erneuerbaren Energien unterdessen in rund 90 Staaten Fuss gefasst hat. Und praktisch überall wurde das gesteckte Ziel auch erreicht: eine massgebliche Ausdehnung der Produktion der Erneuerbaren Energie. Zuletzt ersichtlich am Beispiel Grossbritannien (das ist doch diese nebelverhangene Insel...). Nachdem dort ein Quotensystem mit Vorgaben für die Energieerzeuger scheiterte, ist die nun ergänzend eingeführte Einspeisevergütung – eben das Burgdorfer Modell – derart erfolgreich, dass GB im laufenden Jahr europäischer Spitzenreiter im Zubau von Solarenergie sein wird (mit rund drei Gigawatt neuer Kapazität).

Dem Burgdorfer Modell wurde nach Erfolg in der Heimatstadt schweizweit das wohl bekannte Schicksal des Propheten im eigenen Land zuteil. Es konnte sich über die Berner Gemeinde hinaus kaum verbreiten, Basel-Stadt etwa machte ähnliche Schritte und in der Stadt Zürich wurde mit der Solarstrombörse ein anderes Fördermodell eingeführt. Aber sonst Ödnis im Lande Schweiz, negativ gekrönt mit dem Scheitern der Energievorlagen im Jahr 2000 (Solarrappen) – von welchem sich gemäss Thomas Nordmann, einem der Pioniere der Solarszene, das Land bis heute nicht ganz erholt hat. Schliesslich dauerte es bis 2009, als die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) auch hierzulande eingeführt wurde. Da waren viele Länder in der Solarförderung längst an der Schweiz vorbeigezogen – die gerade bei der Förderung der Photovoltaik nur zögerlich mitziehen mochte. Der viel gescholtene Förder-Deckel hat ja dazu geführt, dass unterdessen rund 30'000 PV-Projekte auf die KEV warten.

Immerhin: Unterdessen gibt es für kleinere Anlagen ja die Einmal-Investitions-Vergütung (EIV), von der sich Frank Rutschmann vom Bundesamt für Energie (BfE) einen zügigen Abbau der Warteliste erhofft. Und auch immerhin: Unterdessen ist der jährliche Zubau von Photovoltaik mit über 300 Megawatt-Leistung auf einem Niveau angelangt, das nach kräftiger Zügelung derzeit auch in Deutschland vorherrscht (rund 3 Gigawatt bei einer zehnmal grösseren Bevölkerung). Aber wegen des zwischenzeitlich gigantischen Zubaus im nördlichen Nachbarland trägt Solarstrom dort über sechs Prozent der Gesamtversorgung – in der Schweiz ist es gerade mal ein einziges.

Und noch ein immerhin: Unterdessen gibt es sogar mehrere Elektrizitäts-Versorgungs-Unternehmen (EVU), die als wenige unter den schweizweit rund 700 eigene Solarprojekte vorantreiben. An der Burgdorfer Jubiläums-Veranstaltung zeigte das Beispiel der Elektra Jegenstorf Genossenschaft, dass auch ein mittelgrosses EVU erfolgreich dezentrale Solarprojekte fördern kann. Ebenso stark fördernd wirkt die Migros Genossenschaft Aare. Sie hat 20 Millionen für den solaren Ausbau bereit gestellt und wird in den kommenden rund fünf Jahren Solarkraftwerke auf den Dächern der eigenen Migros-Immobilien mit einer Leistung von rund zehn Megawatt erstellen. Und sie wird keine Umlagegelder für diese Projekte beanspruchen – denn weil der Strom seitens der Migros vorwiegend tags gebraucht wird, macht der so genannte Eigenverbrauch und die kostengünstige Erstellung der Grossanlagen das ganze wirtschaftlich zum Erfolg.

Und man hat lange darauf gewartet, dass einer aus der viel gelobten Kaste der Schweizer Spitzenmanager sich stark für die Erneuerbaren Energien engagiert. In der Form des Burgdorfer Medizinaltechnik-Unternehmers Willi Michel ist nun endlich jener Milliardär gefunden, der eigenes Geld in die Solartechnologie steckt – und sich auch noch öffentlich dazu bekennt. In Burgdorf berichtete er von der von ihm präsidierten neuen Burgdorfer Solarstadt AG, die (auch mit fremden Geldern) auf den Gewerbe- und Industrieliegenschaften der Region nun in grossem Stil PV-Anlagen zu errichten gedenkt.

Da musste sich der Organisator der Burgdorfer Tagung, Fachhochschulprofessor Urs Muntwyler, wohl ein bisschen wie an einer (späten) Weihnacht vorkommen. Denn endlich nimmt die solare Energierevolution auch hierzulande ganz praktisch Fahrt auf. Und da mag das eidgenössische Parlament in den kommenden Tagen wortreich um die Energiewende ringen – und muss das gemäss Swissolar-Präsident Roger Nordmann auch vehement tun – aber plötzlich scheint hierzulande die Realität die Politik und viele Worte zu überholen.

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